Kunstwissenschaftler: Dr. phil. Jens Semrau (Berlin)

 

Eröffnungsrede zur Ausstellung: „Reinhard Buch und Jörg-Uwe Jacob“

2005, Burg Klempenow

 

 

 


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Sehr geehrte Damen und Herren,

man sagt, dass jede Generation mit einer bestimmten Problemstellung antritt oder sich in einer ähnlichen Problemlage, in einer gemeinsamen Situation befindet, die einen Rahmen für das gemeinsame Verstehen herstellt.  Die Beiden, die hier ausstellen, haben an der Kunsthochschule Weißensee gleichzeitig Bildhauerei und Malerei studiert, das war vor 25 Jahren. Jede Wiederbegegnung ist eine Probe aufs Exempel, ob die Verständigung noch möglich ist nach so langen Jahren und getrennten Entwicklungen. Diese gemeinsame Ausstellung ist eine solche Probe, durch das Nebeneinander der Arbeiten und durch ihre anschauliche Qualität in Erfahrung zu bringen, wie viel der Maler und der Bildhauer heute noch miteinander zu tun haben, unabhängig von stilistischer, formaler Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung. Die Verschiedenheit beider Wege hat u.a. natürlich mit ihrem Metier zu tun. Jörg Uwe Jacob und Reinhard Buch begreifen das Besondere der Malerei und der Bildhauerei immer noch als eine eigenständige Aufgabe. Reinhard Buch ist sich darüber im Klaren, dass Bildhauerei auf eine öffentliche Wirkung angewiesen und in die Bewusstseinsvorgänge der Öffentlichkeit verstrickt ist, ob sie will oder nicht. Er war immer bemüht, seine Arbeit in den urbanen öffentlichen Raum zu stellen und er ist an verschiedenen Orten präsent - ich denke an seine Arbeiten in Rostock oder vor dem Holstein-Haus in Schwerin. Der Malerei kommt inzwischen zugute, dass sie von der Bildfunktion entlastet ist - keiner erwartet etwas von ihr, oft ist sie schon totgesagt worden. Die Malerei von Jörg Uwe Jacob wirkte im Atelier auf mich vor allem als Innenwelt, als abgeschottete, Poesie-Welt, aber das stimmt nur halb. In dieser Ausstellung ergibt sich ein anderer Eindruck - die Bilder in diesem Raum hier oben scheinen plötzlich dasselbe zu besagen, wie die Plastiken, sie haben eine unsentimentale Formensprache, die dem heutigen Lebensgefühl nahe ist.

Die künstlerische Gesinnung von Reinhard Buch schließt eine Neigung technische Ingenieursperfektion ein. Die technische Perfektion ist für- ihn zumindest Voraussetzung für- sinnliche Inspiriertheit.  Von Anfang an war bei war Beides vorhanden: die Faszination am Arbeitsprozess, am Handwerklichen und Herstellungsmäßigen wie auch der Sinn für den künstlerischen Selbstwert der einzelnen Arbeitsstadien und Zustände. Daraus ergab sich ein Unbehagen den Endzuständen der geschlossenen Form. Das Serielle interessiert ihm in gewissem Grade, aber eben auch die sinnliche Anmutung der Formidee. Bloß Konzeptuelles genügt ihm nicht, erst im Bauen und Montieren, im dinglichen Hervorbringen erfüllt sich seine Vorstellung.

Reinhard Buch hat ein eigenes Verfahren der Montage aus Wachsplatten entwickelt. Diese Technik erlaubt ihm, methodisch und rational vorzugehen: Querschnitte, Maßverhältnisse, Formverläufe zu kontrollieren. Aus dem Konstruktiven, Handwerklichen des Bauens und Treibens, dem Gefäßcharakter ergibt sich zugleich der abgehobene Ausdruckscharakter, die mediale Übersetztheit der Kunstfigur, was natürlich auch kultiviert worden ist. Daraus folgt auch die Gleichwertigkeit von Negativ- und Positivformen, wie es Reinhard Buch in dieser Ausstellung demonstriert. Es ist ein komplexer Denk- und Arbeitsprozess, der in dieser Ausstellung nachvollziehbar wird. Dieses Bemühen um Klärung von Formzusammenhängen hat für- mein Empfinden einen spielerischen und einen überaus sinnlichen Charakter. Das Spielerische verwandelt das Technisch-Konstruktive und macht es sozusagen genießbar oder erlebbar, wie auch das Artistische dadurch mehr ist, als nur Poesie. Die plastischen Gedanken sind massiv ausgebreitet, negativ und positiv entwickelt in nobler Bronze, in Glasfaser, Gips, Gummi, so dass eigentlich kein Zweifel gelassen wird, worüber die Botschaft besteht...

...Ich habe es in den 70er Jahren beobachtet und bestaunt, dass die damals jungen Leute- Reinhard Buch und andere- das was Endpunkt schien, als neuen Anfang verstanden haben. Es war immer so: die jungen Leute regenerieren die Welt auf ihre Weise, und junge Leute spielen mit allem. Später wird das Spielerische schwer, denn jeder hat eine Bürde zu bewegen- die eigenen Formen- und Gedankenwelt. Das ist es aber wiederum, was als Substanz und Kraft die eigene Existenz ausmacht, was zur Botschaft wird und vorgezeigt werden kann in einer solchen Ausstellung.

Reinhard Buch und Jörg-Uwe Jacob präsentieren beide eine künstlerische Arbeit und Position, die der heutigen Situation standhält, davon bin ich überzeugt. Beim Ausstellungsaufbau hatten wir alle ein gutes Gefühl, das Konzept geht auf, auch wenn es gar nicht abgesprochen war.